Rückblick | Gedenkveranstaltungen zu den Novemberpogromen

GedenksteinZum Gedenken an die Novemberpogrome von 1938 hat der Ökumenische Arbeitskreis Eberstadt am 10. November eine Mahnwache am ehemaligen Standort der Eberstädter Synagoge abgehalten, die am Morgen des 10. November 1938 vollständig niedergebrannt wurde.

Vor 80 Jahren wurden von den Nationalsozialisten während dieser Pogromnacht im ganzen Deutschen Reich systematisch über 1400 Synagogen, Gebetshäuser und Versammlungsräume sowie Tausende jüdische Wohnhäuser, Geschäfte und Friedhöfe zerstört. In dieser Nacht und den folgenden Tagen starben um die 800 jüdischen Menschen, etwa 30.000 wurden inhaftiert und viele in Konzentrationslager deportiert.

Auch in Eberstadt wurden die Synagoge und jüdische Wohnungen und Läden zerstört und jüdische Mitmenschen verfolgt und misshandelt. Die niedergebrannte Synagoge an der Modaubrücke hinterließ eine sichtbare Lücke, die uns bis heute an die Grauen und die Barbarei der nationalsozialistischen Herrschaft erinnert und auch daran, dass viele bei den Pogromen mitmachten und kaum jemand eingriff und den Menschen Hilfe leistete, die Nachbarn, KollegInnen oder Bekannte waren. Diese Nacht stellte für die jüdischen MitbürgerInnen den Übergang von der seit 1933 bestehenden Stigmatisierung und Demütigung zur systematischen Entrechtung und Ermordung dar. An dieses dunkle Kapitel der Eberstädter Geschichte erinnerten bei der Mahnwache, an der etwa 80 Personen teilnahmen, Bezirksverwalter Achim Pfeffer und Pfarrer Jonas Bauer in ihren Ansprachen. Eindrucksvoll untermalt wurde das Gedenken von Katrin Lübbe auf dem Saxophon.

Die abendliche Gedenkveranstaltung „Juden in Eberstadt. Entrechtet. Gedemütigt. Geschändet“, die von der Hans Erich und Marie Elfriede Dotter-Stiftung ausgerichtet wurde, versuchte durch historische, juristische, literarische und musikalische Beiträge, ein Begreifen und Nachvollziehen der damaligen Gräueltaten zu ermöglichen. Nach der Begrüßung durch Dr. Peter Götz vom Vorstand der Dotter-Stiftung sprachen Dr. Walter Fischedick von der Hessischen Landesregierung, Oberbürgermeister Jochen Partsch und Daniel Neumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Darmstadt, Grußworte. Es folgten Lesungen aus „Großer Gesang des ausgerotteten jüdischen Volkes“ von Jizchak Katzenelson und aus den Prozessakten zu den Verbrechen der Novemberpogrome in Darmstadt von 1946. Vorgetragen wurden diese von Regisseur und Schauspieler Stéphane Bittoun, drei SchülerInnen des Lichtenberg Gymnasiums sowie drei SchauspielerInnen des Staatstheaters. Die beeindruckende musikalische Umrahmung erfolgte durch den Frankfurter Klarinettisten Roman Kuperschmidt und sein Ensemble. Alle SprecherInnen und KünstlerInnen trugen in vielfältiger Weise zu einem bewegenden Abend im vollbesetzten Ernst-Ludwig-Saal bei. An diesem Abend wurde sehr deutlich, dass unsere gesellschaftliche Aufgabe, Gegenwart und Zukunft zu gestalten, notwendig daran gebunden ist, die Vergangenheit kritisch zu durchdringen und die Mechanismen zu reflektieren, die zu solcher Barbarei führen konnten.

Im Gedenkgottesdienst der Dreifaltigkeitsgemeinde am 11. November wurde genau hierzu ermutigt, denn Gott gibt uns den kritischen Geist, den Mut, die Kraft und die Gemeinschaft, die es leichter machen, die Risse und Wunden, die unsere Gesellschaft durchziehen, tatsächlich wahrzunehmen. Unser Hinsehen bedeutet mehr als nur die Augen vor Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit nicht zu verschließen, es eröffnet auch die Möglichkeit für mitfühlendes und eingreifendes Handeln.

Ein Spaziergang zu Spuren jüdischen Lebens in Eberstadt mit Michael Zimmermann und eine Podiumsdiskussion von und mit Jugendlichen zum Thema Meinungsfreiheit schlossen die Veranstaltungen zur Erinnerung an die Pogrome vor 80 Jahren ab.

Text und Foto: Katharina Herrmann